Experimentelles Vorgehen und Kausalschlüsse

Organisatorisches

Semesterplan

Sitzung Datum Sitzungstitel
1 02.11.2020 Warum wissenschaftliche Psychologie
2 28.11.2020 29.11.2020 Hypothesen und der Prozess der Hypothesenprüfung
3 28.11.2020 29.11.2020 Experimentelles Vorgehen
4 28.11.2020 29.11.2020 Literaturrecherche
5 28.11.2020 29.11.2020 Operationalisieren und Messen
6 12.12.2020 13.12.2020 Experimentelle Versuchspläne
7 12.12.2020 13.12.2020 Störvariablen im Experiment
8 12.12.2020 13.12.2020 Nicht-experimentelle Versuchspläne
9 12.12.2020 13.12.2020 Material und Stichprobe
10 23.1.2021 24.1.2021 Auswertung, Darstellung und Interpretation
11 23.1.2021 24.1.2021 Ethische Probleme im Versuch
12 23.1.2021 24.1.2021 Publikationsprozess
13 wird noch bekannt gegeben Vorstellung der Gruppenarbeiten
14 wird noch bekannt gegeben Klausurvorbereitung

Wiederholung

Prozess der Hypothesenprüfung

In Anlehnung an @reissExperimentellePsychologieTheorie2012

Abb. 6: In Anlehnung an Reiß and Sarris (2012)

Hypothesen

  • Definition „Hypothese“
  • Wie kommt man zu Hypothesen?
    • Unsystematische vs. systematische Ansätze
    • Rolle von Induktion und Deduktion
    • Häufige Fehler bei der Generierung von Hypothesen
  • Wie überprüft man Hypothesen (nicht)?
    • Ungültige „Beweise“
    • Prozess der wissenschaftlichen Hypothesenprüfung
  • Bewertung von Hypothesen und deren Überprüfung
    • Vorbedingungen für Überprüfbarkeit
    • Qualitätskriterien für Hypothesen und deren Überprüfung

Grundidee des Experimentierens

Welche Merkmale definieren ein Experiment

  1. Manipulation mindestens einer unabhängigen Variable

  2. Kontrolle von (möglichst allen relevanten) Störvariablen

  3. Messung mindestens einer abhängigen Variable

Kausalität

Warum lassen nicht-experimentelle Studien keinen Kausalschluss zu?

\[\text{Kausalität} = \text{Ursache-Wirkungs-Beziehung}\]

Beispiel:

Ein Forscher beobachtet, dass Studierende, die hohe Werte in einem Stress- Fragebogen angeben, schlechte Leistungen in der Statistik-Klausur zeigen und dass Studierende, die niedrige Werte im Stress-Fragebogen angeben, gute Leistungen in der Statistik-Klausur zeigen.

Beispiel zu Kausalschlüssen

Warum lassen nicht-experimentelle Studien keinen Kausalschluss zu?

Mögliche ‘Schlussfolgerung’ aus Ergebnissen:

Stress vermindert die Prüfungsleistung in Statistik.

Wer schlecht in Statistik ist, den stresst das Lernen für Statistik-Klausuren.

Wer viel jobbt ist sowohl schlechter in Statistik, als auch im allgemeinen gestresster.

Stress verschlechtert die Konzentration.

Schlechte Konzentration beeinträchtigt die Leistung

Stress beeinflusst nur die Leistung bei besonders komplexen Aufgaben, die dann aber auch die meisten Punkte bringen.

Beispiel zu Kausalschlüssen

Warum lassen nicht-experimentelle Studien keinen Kausalschluss zu?

Abbildung unter CC-BY-NC-Lizenz, Quelle: [xkcd](https://xkcd.com/552/)

Abb. 7: Abbildung unter CC-BY-NC-Lizenz, Quelle: xkcd

Abbildung unter CC-BY-NC-Lizenz, Quelle: [xkcd](https://xkcd.com/925/)

Abb. 8: Abbildung unter CC-BY-NC-Lizenz, Quelle: xkcd

Lösung: Experiment

Fall von eben

Ein Forscher beobachtet, dass Studierende, die hohe Werte in einem Stress- Fragebogen angeben, schlechte Leistungen in der Statistik-Klausur zeigen und dass Studierende, die niedrige Werte im Stress-Fragebogen angeben, gute Leistungen in der Statistik-Klausur zeigen.

Manipuliere unabhängige Variablen

  • Stress
    • Niedrig: Vor dem Test entspannen
    • Hoch: Vor dem Test Vortrag halten
  • Komplexität der Aufgabe
    • Niedrig: Konzentrationsaufgaben (d2 durchstreichen)
    • Hoch: Statistik-Aufgaben

Kontrolliere Störvariablen

  • Jobben (in h/Woche) — randomisieren

  • Statistik-Kenntnisse (Note im 1. Semester) — randomisieren

  • Geschlecht (w/m) — parallelisieren (Blockbildung)

  • Reihenfolge der Aufgaben — Ausbalancierung

Messe abhängige Variablen

  • Leistung
    • Anzahl korrekte Lösungen
    • Antwortlatenzen

Design:

Tab. 1: Kreuzung der Faktoren: 2x2 = 4 Zellen
Komplexität
niedrighoch
Stressniedrig
hoch
Tab. 2: Kreuzung der Faktoren + Blockbildung: 2x2x2 = 8 Zellen
Komplexität
niedrighoch
Stressniedrigmfmf
hochmfmf
Tab. 3: Kreuzung der Faktoren + Blockbildung + Balancierung: 2x2x2x2 = 16 Zellen
Komplexität
niedrighoch
Stressniedrigsteigende Schwierigkeitsteigende Schwierigkeit
hochsinkende Schwierigkeitsinkende Schwierigkeit
niedrigsteigende Schwierigkeitsteigende Schwierigkeit
hochsinkende Schwierigkeitsinkende Schwierigkeit

experimentelle vs. nicht-experimentelle Studien

Nicht-experimentelle Studien Experimentelle Studien
Vermutete Ursachen nur gemessen Ursachen werden erzeugt
Zeitliche Reihenfolge oft unklar Ursache kommt vor Wirkung
Störvariablen nur messbar (\(\neq\) Kontrolle) Gute Kontrolle von Störvariablen
unbekannte Störvariablen nie kontrollierbar z.T. auch unbekannte Störvariablen kontrollierbar
Kausalschluss nicht möglich Kausalschluss möglich
Meist möglich Nicht immer möglich (praktisch, ethisch)
Eher natürliches Setting Eher künstliches Setting

Gruppenarbeit

Gibt’s im Olat.

Personen im Experiment

Versuchsleiter (VL)

  • Synonym: Experimentator (experimenter)

Versuchsperson

  • Synonyme: Proband (subject), Teilnehmer (participant)

  • Manchmal auch Versuchstiere (subject, test animal)

Variablen im Experiment

unabhängige Variable (UV)

  • Synonyme: independent variable, Behandlung (treatment), Faktor (factor), Bedingung (condition)
  • \(\rightarrow\) Variable, die vom Experimentator aktiv verändert, variiert, manipuliert wird

abhängige Variable (AV)

  • Synonyme: dependent Variable, primary and secondary outcome
  • \(\rightarrow\) Variable, bei der der Effekt der UV beobachtet werden soll

Störvariable

  • Synonyme: extraneous variable, confounding variable
  • \(\rightarrow\) Variable, die (vermutlich) ebenfalls die AV beeinflusst, deren Wirkung im Experiment neutralisiert (=kontrolliert) werden soll, weil sie den Effekt der UV stören würde.
  • Keine Kontrolle \(\rightarrow\) Konfundierung von UV und Störvariable
    • Mediatorvariable
      • mediiert (vermittelt als Zwischenglied die Wirkung von UV auf AV
      • \(\rightarrow\) Ohne Mediator keine Wirkung von UV auf AV
    • Moderatorvariable
      • moderiert (verändert) die Art der Wirkung von UV auf AV
      • \(\rightarrow\) Unterschiedliche Wirkung der UV je nach Ausprägung des Moderators

Typen von Studien / Experimenten

Typen von Studien

Experimente

  • UV kann wirklich manipuliert werden, SV können kontrolliert werden
  • z.B. UV: Verum vs. Placebo, AV: Depressivität, SV: randomisiert, doppelblind, Crossover

Quasiexperimente

  • Störvariablen können nicht richtig kontrolliert werden
  • z.B. Vergleich verschiedener Lehrmethoden mit gegebenen Schulklassen

Ex-Post-Facto-Studie

  • UV kann nicht manipuliert, sondern nur gemessen werden
  • Z.B. Vergleich von Patienten vs. Gesunden hinsichtlich Gedächtnisleistung

Nichtexperimentelle Studien

  • UV wird nicht manipuliert, Störvariablen (so gut wie) gar nicht kontrolliert
  • z.B. Längsschnittstudien zur Entwicklung des Gedächtnisses z.B. Querschnittstudien zum Zusammenhang von X und Y

Kategorisierung von Studien

Einteilung nach dem „Ort“

  • Laborexperiment
    • gute Kontrolle von Störvariablen, u.U. schlechte Generalisierbarkeit
  • Feldexperiment
    • schlechte Kontrolle von Störvariablen, gute Generalisierbarkeit
    • \(\neq\) nichtexperimentelle Feldstudie (z.B. „Anwendungsbeobachtung“)

Spezielfall: online-Studien

Vorteile

  • Großes N mit geringem Aufwand

  • Kein Versuchsleiter \(\rightarrow\) Keine Versuchsleitereffekte

  • Standardisierung von Instruktionen und Ablauf

  • Jederzeit durchführbar

Nachteile

  • Selbstselektion (z.B. Menschen mit genügend Freizeit und Zugang zu Rechner)
  • Die Angaben der Vp sind nicht überprüfbar
  • Mehrfachteilnahme nicht kontrollierbar
  • Keine Standardisierung von Technik, Umgebung, Situation, Störungen …
  • Schummeln, Vorsagen, soziale Erwünschtheit (z.B. Partner guckt bei Umfrage zu Pornokonsum zu)
  • Keine Kontrolle des aktuellen Zustands der Vp (z.B. müde, betrunken, krank, …)

Fallbeispiele

Fragen:

Texte sind im Olat.

  1. Fragestellung: Was sollte untersucht werden?
  2. Was ist/sind hier die unabhängige/n Variable/n? Welche Stufen hatte/n diese?
  3. Was ist/sind hier die abhängige/n Variable/n? Wie wurde/n diese gemessen?
  4. Handelt es sich um eine Labor oder eine Feldstudie?
  5. Handelt es sich um ein Experiment, Quasiexperiment oder sonstige Studie?

Ausblick

  • Störvariablen und ihre Kontrolle
  • Varianz: Freund und Feind
  • Validitäten

Anhang

Beispiel Elfmeterschießen

Fragen & Antworten:

  1. Was ist/sind hier die unabhängige/n Variable/n? Anlaufwinkel (mit 6 Stufen: 0° bis 50°)
  2. Was ist/sind hier die abhängige/n Variable/n? Genauigkeit der Vorhersage der Schussrichtung
  3. Handelt es sich um eine Labor oder eine Feldstudie? Labor (Stimuli wurden zwar auf dem Feld erzeugt, Experiment aber im Labor)
  4. Handelt es sich um ein Experiment, Quasiexperiment oder sonstige Studie? Echtes Experiment (UV manipuliert, Störvariablen kontrolliert, AV gemessen)

Beispiel Cannabis

Fragen & Antworten:

  1. Was ist/sind hier die unabhängige/n Variable/n? Keine. Cannabiskonsum (ja/nein) ist nicht manipuliert worden, daher quasi-UV
  2. Was ist/sind hier die abhängige/n Variable/n? Gedächtnis, Aufmerksamkeit
  3. Handelt es sich um eine Labor- oder eine Feldstudie? Laborstudie
  4. Handelt es sich um ein Experiment, Quasiexperiment oder sonstige Studie? Quasiexperiment

Beispiel Stressbewältigung

Fragen & Antworten:

  1. Was ist/sind hier die unabhängige/n Variable/n? Stressbewältigungsprogramm (Ja/nein), Messzeitpunkt (prä/post)
  2. Was ist/sind hier die abhängige/n Variable/n? Gesundheitsrelevante Parameter (sehr viele)
  3. Handelt es sich um eine Labor- oder eine Feldstudie? Laborstudie
  4. Handelt es sich um ein Experiment, Quasiexperiment oder sonstige Studie? Experiment

Beispiel Sport macht mich high

Fragen & Antworten:

  1. Was ist/sind hier die unabhängige/n Variable/n? Messzeitpunkte, Katamnese
  2. Was ist/sind hier die abhängige/n Variable/n? nicht gut definiert, Drogenmissbrauch, Körpergefühl, Fitness, Motivation …
  3. Handelt es sich um eine Labor- oder eine Feldstudie? Laborstudie
  4. Handelt es sich um ein Experiment, Quasiexperiment oder sonstige Studie? Sonstige Studie („Anwendungsbeobachtung“)